Die sahrauische Aktivistin Sultana Khaya
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Vor wenigen Tagen ging der Friedensnobelpreis an den Menschenrechtler Ales Bialiatski aus Belarus, die Organisation Memorial aus Russland und das Center for Civil Liberties aus der Ukraine. Mit ihnen allen arbeitet Amnesty International seit Jahren zusammen. Wir gratulieren den Preisträger*innen und freuen uns sehr über diese Entscheidung. Dank eures Einsatzes konnten wir zu weiteren guten Nachrichten im dritten Quartal 2022 beitragen. Hier findet ihr eine kleine Auswahl unserer Erfolge.
Marokko: Sultana Khaya frei und in Spanien
Im September wurde bekanntgegeben, dass es der saharauischen Aktivistin Sultana Khaya am 30. Mai 2022 gelungen war, ihr Haus in Boujdour in der Westsahara zu verlassen und zur medizinischen Versorgung nach Spanien zu reisen. Sie stand seit November 2020 unter willkürlichem Hausarrest. Die gegen sie verhängten Beschränkungen wurden jedoch noch nicht offiziell aufgehoben, und es ist nach wie vor unklar, ob sie wieder nach Marokko einreisen kann. Bis heute sind die Folter und Misshandlungen, denen sie und Familienangehörige ausgesetzt waren, nicht untersucht worden. (UA-033/2021)
Ägyten: Ahmed Samir Santawy frei!
Anderthalb Jahre lang war Ahmed Samir Santawy zu Unrecht inhaftiert – nun ist er endlich wieder in Freiheit! Am 30. Juli 2022 wurde der Student per Präsidentendekret aus der Haft entlassen. Amnesty hatte sich unter anderem mit Urgent Actions für seine Freilassung eingesetzt. Ahmed Samir Santawy befand sich seit Februar 2021 in Haft. Der Student der Wiener Central European University (CEU) wurde während eines Besuchs bei seiner Familie in Ägypten festgenommen, anschließend geschlagen und verhört. Ahmed Samir musste wegen Social-Media-Posts ins Gefängnis: Am 22. Juni 2021 verurteilte ihn ein Gericht zu Unrecht wegen der “Verbreitung von Falschmeldungen auf Social Media” zu vier Jahren Haft. Er war ein gewaltloser politischer Gefangener. (UA-015/2021)
Der ägyptische Student Ahmed Samir Santawy (Archivaufnahme)
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Thailand: Aktivistinnen im Hungerstreik sind auf Kaution frei
Natthanik “Bai Por” Duangmusit und Netiporn “Bung” Sanesangkhom kamen am 4. August frei. Sie wurden fast drei Monate lang festgehalten und haben einen 64-tägigen Hungerstreik hinter sich, mit dem sie gegen ihre Haft protestierten. Bai Por (‘Juteblatt’) und Bung (‘Raupe’) möchten allen für ihren Einsatz danken. (UA-056/20202)
Bai Por sagte: “Ich möchte meinen Dank aussprechen an all die Aktivist*innen, Amnesty-Mitglieder und anderen Menschen, die bei den Aktionen mitgemacht haben; danke für die Initiativen, die Briefe und den Ausdruck der Solidarität mit uns. Als wir von den Appell-Briefen der Urgent Action erfuhren, gab uns dies unheimliche Kraft für unsere Zeit in der U-Haft. Wir konnten dadurch leichter atmen. Ich möchte allen sagen, dass unsere Freund*innen immer noch dort drinnen sind – wir dürfen also nicht aufgeben. Denn das Recht auf Freilassung gegen Kaution gilt für jede*n und sollte so auch angewandt werden.”
Bung bedankte sich mit den Worten: “Als wir eingesperrt waren, hatten wir Angst: Angst, dass die Welt da draußen uns vergessen würde, dass die Menschen nicht sehen würden, was wir tun, wofür wir kämpfen. Aber heute sehen wir und fühlen wir, dass uns die Welt da draußen nicht verlassen hat. Ich danke allen so sehr, dass sie uns weiter beistehen.”
Die thailändische Aktivistin Netiporn “Bung” Sanesangkhom erlitt nach einer gerichtlichen Anhörung am 18. Juli 2022 in Bangkok einen Schwächeanfall.
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Iran: Nahid Taghavi im Hafturlaub
Seit Oktober 2020 war sie im Iran inhaftiert, nun durfte die Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi vorübergehend das Teheraner Evin-Gefängnis verlassen. Am 19. Juli 2022 erhielt sie Hafturlaub zur medizinischen Behandlung. Ihr Gesundheitszustand hatte sich seit ihrer Inhaftierung im Oktober 2020 erheblich verschlechtert. In der Haft entwickelte sie Diabetes und Bluthochdruck. Ihre Wirbelsäule ist geschädigt und sie benötigt dringend eine Operation. Ihre Tochter Mariam Claren, Amnesty und weitere Nichtregierungsorganisationen fordern schon seit langem, dass Taghavi Hafturlaub erhält, um angemessen medizinisch behandelt zu werden. Nahid Taghavi hat ihren Wohnsitz in Deutschland, reist aber jeweils für mehrere Monate pro Jahr in den Iran, um ihre dortige Familie zu besuchen. Vor ihrer Festnahme war Nahid Taghavi noch nie inhaftiert worden. In Verhören, denen sie unterzogen wurde, befragte man sie über ihre persönliche Geschichte, zum Beispiel über ihren Aktivismus als Studentin oder die Gründe, warum sie in den Iran reist. Nahid Taghavi ist eine gewaltlose politische Gefangene. (UA-008/2021)
Malediven: Aktivist muss nicht erneut in Haft
Mohamed Rusthum Mujuthaba muss keine weitere Gefängnisstrafe verbüßen. Ihm wurde Blasphemie und der Besitz “obszönen Materials” vorgeworfen. Das Strafgericht akzeptierte, dass der Menschenrechtler bereits sechs Monate in Untersuchungshaft verbracht hatte, was über das Strafmaß hinausgeht, das bei einem Schuldspruch hätte verhängt werden können. (UA-051/2022)
Der maledivische Menschenrechtsaktivist Mohamed Rusthum Mujuthaba (Archivbild)
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USA: Ramiro Gonzales nicht hingerichtet
Am 11. Juli setzte das Berufungsstrafgericht von Texas die Hinrichtung von Ramiro Gonzales 48 Stunden vor ihrer geplanten Vollstreckung aus. Ramiro Gonzales wurde im September 2006 wegen eines im Januar 2001 begangenen Mordes zum Tode verurteilt. Damals war er 18 Jahre alt. Nun wird geprüft, ob im Verfahren eine Falschaussage in Bezug auf die “zukünftige Gefährlichkeit” von Ramiro Gonzales gemacht wurde. (UA-057/2022)
Sri Lanka: Student auf Kaution freigelassen
Am 9. Mai 2019 war der damals 20-jährige Student der Computertechnik Mohamed Imaam Mohamed Imran unter dem drakonischen Antiterrorgesetz (Prevention of Terrorism Act – PTA) festgenommen worden. In der erst am 29. März 2022 (!) ausgestellten Haftanordnung, die vom Präsidenten in seiner Funktion als Verteidigungsminister unterschrieben wurde, heißt es, dass Mohamed Imran u. a. der “Beihilfe für die Selbstmordattentäter bei den Anschlägen zum Ostersonntag am 21. April 2019” verdächtigt werde. Bis heute hat die Staatsanwaltschaft keine Beweise dafür vorgelegt, dass der nun 23-Jährige eine international anerkannte Straftat begangen hat. Am 29. August 2022 kam er auf Kaution frei. (UA-042/2022 und BgdV Juli 2022)
Russland: Freigesprochen, aber…
Wegen ihrer körperpositiven Zeichnungen der weiblichen Sexualorgane war der Aktivistin Yulia Tsvetkova die “Verbreitung von Pornografie” vorgeworfen worden. Ihr drohten sechs Jahre Haft. Nach ihrem Freispruch am 15. Juli legten Staatsanwält*innen Rechtsmittel gegen den Freispruch der Künstlerin und LGBTI-Aktivistin ein. Unser Einsatz ist also weiter gefragt. (UA-138/2020)
Die russische Frauenrechte- und LGBTI-Aktivistin Yulia Tsvetkova (undatiertes Foto)
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